Inhaltsangabe: Bahnwärter Thiel von Gerhart Hauptmann


Inhalt
Der Bahnwärter Thiel ist ein gläubiger Mann, der, wenn immer es sein Dienst zulässt, am Sonntagmorgen zur Kirche geht. Er war zwei Jahre lang mit Minna, einer blassen, hohlwangigen und feingliedrigen Frau verheiratet. Doch nach zwei Jahren ist sie auf dem Wochenbett verstorben. Es machte den Eindruck, als ob ihr Tod Thiel nicht allzu stark treffen würde. Nur ein Jahr später heiratet er Lene, eine kräftige Bauernmagd. Er begründet die schnelle Hochzeit damit, dass er jemanden braucht, der sich um seinen Sohn Tobias kümmert, während er am Arbeiten ist. Lene ist das genaue Gegenteil von Minna und es dauert nicht lange, bis sie ihren Mann fest im Griff hat. Thiel ist abhängig von Lene und weiss das auch. Aufgrund der ungewöhnlichen Rollenverteilung in der Beziehung werden Thiel und Lene zum Stadtgespräch.
Die Arbeit ist Thiels einzige Rückzugsmöglichkeit. Die vielen Stunden des Wartens vertreibt er sich immer wieder mit Träumen, Gedanken und Gebeten an seine verstorbene Frau Minna. Er sieht sie in seinem Traum auch über die Geleise wandeln.
Zu Hause verschlechtert sich die Situation zunehmend, denn Lene hat in der Zwischenzeit ein Kind mit Thiel und ab dem Moment der Geburt kümmert sie sich kaum mehr um Tobias. Als Thiel eines Morgens unerwartet nach Hause zurückkehrt, weil er sein Butterbrot vergessen hatte, wird er Zeuge davon, wie Lene Tobias schlägt und anbrüllt. Thiel ist wütend und das Handeln seiner Frau gefällt ihm überhaupt nicht. Dennoch ist er nicht in der Lage, sie zur Rede zu stellen. Er nimmt einfach sein Butterbrot und geht wieder zur Arbeit. Dort plagt ihn dann aber das schlechte Gewissen und er macht sich Sorgen um seinen Sohn.
Am darauffolgenden Tag kommen Lene und die Kinder mit zur Arbeit. Das passt Thiel überhaupt nicht, doch erneut kann er sich nicht wehren. Lene beginnt den Acker neben dem Bahnwärterhäuschen, den Thiel geschenkt bekommen hat, umzugraben. Sie will Kartoffeln setzen. Thiel nimmt in der Zwischenzeit Tobias mit auf einen Spaziergang entlang den Geleisen – gegen Lenes Willen. Sie wollte, dass Tobias auf sein kleines Geschwisterchen aufpasst. Der Spaziergang gefällt Tobias sehr und er kann nicht genug davon bekommen, die Umgebung zu erkunden.
Am Nachmittag passt Lene auf beide Kinder auf, während sie Kartoffeln setzt. Thiel geht derweil seiner normalen Arbeit nach. Als der Schnellzug kommt hört er plötzlich die Notsignale und die Bremse des Zugs. Thiel eilt sofort in Richtung des Zuges und sieht, dass dieser seinen Sohn Tobias erfasst hatte. Tobias lebt zwar noch, ist aber übel zugerichtet. Halbtot wird er zum Bahnarzt gebracht. Lene begleitet Tobias, Thiel bleibt hingegen ratlos zurück. Er geht seiner Arbeit nach, ist jedoch kaum mehr bei Sinnen. Er ertappt sich sogar dabei, wie er sein gemeinsames Kind mit Lene, dass sie zurückgelassen hatte, erwürgen wollte. Wenig später trifft die Nachricht ein, dass Tobias verstorben ist. Thiel kann den Schmerz nicht ertragen und wird bewusstlos. Mehrere Männer tragen ihn nach Hause und legen ihn ins Bett. Lene kümmert sich aufopferungsvoll um ihren Mann und geht dann ebenfalls schlafen. Als am nächsten Morgen einige Männer vorbeikommen, um nach dem Rechten zu sehen, finden sie Lene und das kleine Kind tot auf. Lene erschlagen und die Kehle des Säuglings aufgeschlitzt. Sofort wird Thiel zum Tatverdächtigen. Man findet ihn auf den Geleisen, an der Stelle, wo Tobias überfahren wurde. Nur mit vereinten Kräften schaffen es die Männer, Thiel von dort wegzubringen. Er hat den Verstand verloren und wehrt sich mit Händen und Füssen gegen seine Verhaftung. Thiel wird an die Charité überwiesen.

Charakteranalyse
Thiel: Der Bahnwärter ist in dieser Erzählung der typische Antiheld. Äusserlich ist er gross und stark, eine eindrucksvolle Erscheinung, die so gar nicht zu seinem weichen Inneren passen will. Der Tod seiner ersten Frau Minna beschäftig ihn noch immer sehr und auch für seinen Sohn Tobias empfindet er grosse Zuneigung. Lene hat er lediglich geheiratet, damit sich jemand um Tobias kümmert.
Im Lauf der Geschichte entrückt Thiel der Realität zunehmend. Er hat Visionen seiner verstorbenen Frau, träumt von ihr und ist unkonzentriert auf der Arbeit. Hinzu kommt, dass er Lene völlig ausgeliefert und nicht in der Lage ist, sich gegen sie zu wehren. Er akzeptiert sein Schicksal, ohne den Versuch, etwas dagegen zu unternehmen. Als dann aber Tobias vom Zug erfasst wird, ist das für Thiel definitiv zu viel. Er verliert den Verstand und tötet im Wahn und in der Trauer um Tobias seine Frau und das gemeinsame Kind.

Lene: Sie war eine ehemalige Kuhmagd von stämmiger Postur. Optisch passt sie besser zu Thiel als dessen feingliedrige erste Frau Minna. Doch Lene hat einen schlechten Charakter. Sie ist aggressiv, herrisch und kommandiert alle herum. Thiel kann sich nicht gegen sie wehren, sie bestimmt was wie läuft. Hinzu kommt, dass Lene Tobias nicht leiden kann. Besonders nicht mehr nach der Geburt ihres gemeinsamen Kindes mit Thiel. Sie schikaniert, schlägt und brüllt Tobias an. Thiel gibt ihr dann auch die Schuld am Tod von Tobias.
Lene symbolisiert das genaue Gegenteil von Thiels erster Frau Minna. Sowohl optisch wie auch bezüglich des Verhaltens sind sie wie Tag und Nacht. (fba)

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