Rezension: Der Chronist der Winde von Henning Mankell

"Der Chronist der Winde" ist eines der am häufigsten gelobten Werke des Erfolgsautoren Henning Mankell. Ein Lob, das ich so klar und deutlich nicht unterschreiben kann, denn mich hat das Buch nicht wirklich gepackt.

Warum? Ich kann es ehrlich gesagt nicht genau erklären. Einerseits liegt es sicherlich daran, dass die Nebencharaktere wie beispielsweise Dona Esmeralda oder Yabu Bata auf mich zu realitätsfremd wirkten und so der darauffolgenden Erzählung von Nelio etwas die Glaubwürdigkeit raubten. Die Geschichte von Nelio hingegen finde ich spannend und sie regt sicherlich auch zum Nachdenken an. Sie zeigt sehr eindrücklich die Probleme, das Elend, die Ängste und die Verzweiflung der afrikanischen Bevölkerung, doch aus irgendeinem Grund berührte mich diese Geschichte nicht so stark wie andere. 

Gelungener Aufbau
Den Aufbau, den Henning Mankell für sein Werk gewählt hat, finde ich hingegen sehr gelungen. Die Geschichte beginnt mit dem Ende, mit dem Tode von Nelio und mit dem Entscheid von José, als Chronist der Winde durch Afrika zu ziehen. Man ist gespannt was José zu diesem Entschluss gebracht hat und will weiterlesen, um die Hintergründe zu erfahren. Obwohl man weiss, dass Nelio sterben wird, folgt man seiner Erzählung während neun Kapiteln gespannt und hofft irgendwie trotzdem, dass José am Ende eine Möglichkeit finden wird, um den kleinen 10-jährigen Jungen zu retten. 


Was macht Nelio besonders?
Denn Nelio ist nicht irgendein Junge, er ist etwas ganz Spezielles. Ihn umgibt eine besondere Aura, die auch von den anderen Strassenkindern wahrgenommen wird. So ist er beispielsweise beinahe der einzige, der von jeglichen Prügeleien auf der Strasse verschont geblieben ist und es werden ihm heilende Kräfte nachgesagt, einige sehen in ihm sogar einen Gott. So ist es auch keine Überraschung, dass der bisherige Anführer Cosmos Nelio zu seinem Nachfolger machte und ihn die Gruppe führen lässt. Auch Nelios Wunsch, die Welt zu verstehen und Gründe für das Elend in Afrika zu finden zeigen, dass er kein normaler Junge ist. Die Tatsache, dass José in ihm zum Einen einen 10-jährigen Jungen, zum Anderen aber auch einen alten Mann sieht, unterstreicht die besondere Ausstrahlung, die Nelio auf andere ausübt. 

Die Stimme der Strassenkinder
Die Geschichte von Nelio berührte nicht nur viele Leser, sondern sie berührte auch seinen Pfleger José so sehr, dass dieser darin seine Berufung fand und sich daher zum Lebensziel setzte, die Geschichte von Nelio zu verbreiten. Damit möchte er dem Afrikanischen Volk Hoffnung geben und sie ermuntern, weiter an ihre Träume zu glauben. Ähnlich also, wie Henning Mankell, der mit diesem Buch den Strassenkindern von Afrika eine Stimme verlieh. 

Abschliessend möchte noch ich eine ganz bestimmte Stelle aus dem Buch erwähnen, die mir sehr eindrücklich erschien ist. Es war dies die Idee der Gruppe, ein Theaterstück für Alfredo zu inszenieren, um ihm die Angst vor dem Tod zu nehmen. Die Kinder verkleideten sich dabei als Götter und als reiche Bürger und betraten dabei in eine Welt, von der sie eigentlich nur träumen können, eine Welt frei von Elend, Armut, Hunger und Angst - eine sehr schöne Idee von Mankell.
(fba)

Bibliografische Angaben:

Titel: Der Chronist der Winde
Autor: Henning Mankell
Seiten: 264
Erschienen: 1995
Verlag: dtv
ISBN-10: 3423129646
ISBN-13: 978-3423129640
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